Keine falsche Dankbarkeit, ein ambitionierter Zweijahresplan und ein Leben ohne "Luftnummern": Peter Neururer hat den VfL Bochum in märchenhaften 34 Tagen vor dem Absturz gerettet, nun bastelt der Kult-Coach des Fußball-Zweitligisten mit Feuereifer an seiner neuen Mission Impossible. Der VfL, wirtschaftlich schwer angeschlagen, soll so schnell wie möglich aufsteigen.
"Wir werden versuchen, im nächsten Jahr mit dem Abstieg nichts zu tun zu haben. Über Tabellenplätze rede ich dabei nicht. Im darauf folgenden Jahr müssen wir die Schritte so weit eingeleitet haben, dass wir sagen können, wir nehmen die Rückkehr in die Bundesliga in Angriff. Das muss das Ziel sein", sagt der 58-Jährige im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID).
Dabei hat Neururer, der nach der Entlassung von Karsten Neitzel erst sechs Spieltage vor Saisonende ein lebloses VfL-Team übernommen hat, noch nicht einmal einen neuen Vertrag in der Tasche. Der Aufsichtsrat und er seien aber "auf einem guten Weg". Es gehe nur noch um Kleinigkeiten.
Eine Vertragsverlängerung aus Dankbarkeit lehnt er strikt ab: "Vorstand und Aufsichtsrat würden einen riesigen Fehler machen. Im Profifußball aus Dankbarkeit zu handeln, ist immer falsch. Überzeugung und Vertrauen müssen da sein, sonst geht es nicht."
Beides dürfte sich Neururer mit den vier Siegen in den ersten vier Spielen nach seiner Rückkehr zum VfL und dem Klassenerhalt erarbeitet haben. Und selbst wenn den Bossen am vergangenen Dienstag Zweifel gekommen sein sollten - Neururer löste in einer Sport1-Livesendung eine Wette ein, ließ sich die Haare blau-weiß färben und das Klub-Logo auf die Stirn malen -, eine Abkehr von Neururer wäre undenkbar. "Peter der Große", selbst erst kürzlich von einem schweren Herzinfarkt genesen, hat den fast schon klinisch toten Bochumer Patienten wachgeküsst. Das müssen selbst seine größten Kritiker zugeben.
Was die VfL-Bosse um den Aufsichtsratsvorsitzenden Hans-Peter Villis, der den Trainer wegen allzu forscher Aussagen über Personalplanungen zu Beginn der Woche schon eingebremst hatte, beruhigen dürfte: Neururer will künftig auf öffentliche Auftritte am Rande der Lächerlichkeit verzichten.
"Das war eine Wette, die blöd formuliert war. Das war eine Luftnummer. Das hatte mit Seriosität, die wir als Trainer verkörpern wollen, nichts zu tun. Aber es ist gesagt worden, also habe ich es gemacht, fertig und aus", sagte Neururer mit Blick auf seinen Sport1-Auftritt: "Das war wie früher die Tanzerei vor den Fans. Beides wird es mit mir nie mehr geben."
Nun geht er's also an, und irgendwie scheint es für den "Menschenbeschwörer" Neururer, wie ihn das Magazin 11Freunde nennt, wieder eine Mission Impossible zu werden. Der VfL steht mit mehr als 6,5 Millionen Euro in der Kreide, hat noch keinen Hauptsponsor für die kommende Saison und die Bedingung der Deutschen Fußball Liga (DFL) am Hals, bis Ende Mai "weitere Einnahmepotenziale" aufzuzeigen. Das 18 Jahre alte "Jahrhunderttalent", wie Neururer Mittelfeldspieler Leon Goretzka nennt, wird wohl - wenn überhaupt - nur noch eine Saison in Bochum bleiben. Keine Frage: Ein Comeback des VfL in der Bundesliga, es wäre wohl Neururers größter Wurf.